Das Texel-Projekt - Celluloid
Der weiche Raum
Lange Zeit wurde in Sowjetrussland Nitratcelluloid zur Filmherstellung eingesetzt, das stark brandgefährlich ist und in einen Zersetzungsprozess übergehen kann (Doppelbild links). Ein wichtiger Bestandteil bei dessen Herstellung ist das Harz des Kampferbaumes (cinnamomum camphora) das dabei als Weichmacher fungiert. (Wandgemälde, Großfotokopien u.a. in der Ausstellung Studio:Bigger than life 'Das Texel-Projekt‘, Städt. Galerie Sindelfingen 2004).
Kampferverdampfung
Das ätherische Campheröl ist außer in der Nitratcelluloidherstellung auch als Arznei wirksam. Seine desinfizierende und anregende Wirkung beim Einatmen führt zu einem „klaren Kopf“. Im Hintergrund ein Bild, das die Trümmer eines Lagers der Cinémathèque Francaise mit leeren Filmdosen zeigt, das 1980 in Folge eines durch Nitratfilm verursachten Brandes zerstört wurde. Das filmische Gedächtnis unserer Kultur wurde dabei um mehrere tausend Filmdokumente erleichtert. ('Screening‘. Performance im Künstlerhaus Stuttgart 2005).
Der Längsschnitt
Celluloid gilt als der erste praktikable Kunststoff und wurde ausser zur Filmherstellung auch zur Produktion von zahllosen Alltagsgegenständen eingesetzt. Selbst in amerikanischen Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg spielen Bauteile aus Celluloid eine entscheidende Rolle. (s.u.) (Längsschnitt durch eine Amerikanische Fliegerbombe befüllt mit den russischen Filmen aus dem Meer. Objektinstallation, Städt.Galerie Sindelfingen 2004).
Zünder
Solche Langzeitzünder waren in Blindgängerbomben eingebaut und brachten diese planmäßig erst Stunden, Tage oder auch Jahre später zur Detonation. Das entscheidende Bauteil ist eine Celluloidampulle, die mit Aceton gefüllt ist, das den Kunststoff nach und nach zerfrißt, bis die Ampulle wegbricht und eine Springfeder freigibt, die die Detonation auslöst.
Die Stuttgarter Methode
Manche Langzeitzünder dieses Typs waren zusätzlich mit einer „Ausbausperre“ versehen: Beginnt ein Bombenentschärfer damit, den Zünder aus der Bombe herauszudrehen, zerlegt sich das Gehäuse des Zünders und löst die Detonation aus. In Stuttgart fand man 1944 heraus, daß dieses Unheil vermieden werden kann, indem man nicht den Zünder aus der Bombe, sondern die Bombe um den Zünder dreht. Diese Technik wurde als „Stuttgarter Methode“ seither erfolgreich angewendet.
Projektordrehung / Die Stuttgarter Methode
Wir wenden die „Stuttgarter Methode“ aus dem Bereich der celluloidbestückten Höllentechnologie zurück in die Sphäre der Kunst. Die Drehbewegung von Bombe um Zünder wird übertragen auf Projektor um Filmspule - wir erhoffen uns hiervon einen Umschlag von Drehmoment in Erkenntnis. ('Screening‘. Performance im Künstlerhaus Stuttgart 2005)